Boca Chica

Clemens Cichocki

Boca Chica 2023 – Einblicke von Clemens Cichocki

Pitching Coach Clemens Cichocki gibt uns ebenfalls mal einen Einblick in die Welt der Peloteros der DR. Er selbst ist als Scout der Oakland Athletics auch fasziniert vom Erlebten und hat sicher den ein oder anderen “Eyeopener” erfahren. Hier sein Bericht.

von Clemens Cichocki:

Als Baseballer stößt man immer wieder auf Geschichten und Legenden aus der dominikanischen Republik. Einerseits hat fast jeder schon mit oder gegen Dominikaner gespielt. Andererseits legt
die DBA seit Jahrzehnten in der „Dom-Rep“ die Grundlage für spätere Triumpfe bei Europameisterschaften und internationalen Turnieren. Zwar bin ich schon länger mit George, Schumi, Nick und Marlies bei der U18 sowie bei der einen oder anderen DBA-Maßnahme aktiv,
eine Reise in die Dom-Rep ist sich bisher aber noch nicht ausgegangen. Nun konnte ich aber
doch endlich den Ort erleben, der so viele Geschichten, Karrieren
und Teams geprägt hat. Gleich am ersten Morgen stand das legendäre, all-morgentliche
Strandtraining am Programm. Vor traumhafter Kulisse, inmitten eines Hunderudels und neben einigen einheimischen Jugendlichen, die ebenfalls hart an ihrem Baseballtraum arbeiteten, absolvierten
unsere Jungs ihre erste Trainingseinheit. Bevor wir mit dem Vormittags-Baseballtraining loslegten, gab es aber erstmal ausgiebiges karibisches Frühstück unter Palmen mit unglaublich
guten Fruchtsäften.
Während wir uns in Deutschland oft den Kopf über korrekt gezeichnete Battersboxen und Scorerlizenzen zerbrechen, geht es hier beim Baseball oft nur um das wichtigste.
Unser „Heimfeld“ hier in Boca Chica entspricht genau diesem Prinzip. Kein Firlefanz, aber alles, was man benötigt: Sand, Bases, ein Rubber, und ein überdachter Battingcage. Hinter dem Backstop eine,
an die Straße angrenzende, Fläche für Zuschauer und vorbeifahrende Mopeds, die immer wieder mal anhalten, um sich ein Inning anzusehen. Hinter der Outfieldwand sind Dächer und Balkone,
von denen aus Kinder und Hunde das Treiben auf dem Feld beobachten.
Schon am ersten Nachmittag folgt das erste Spiel. Es geht gegen den lokalen Club.
Hinter dem Backstop parken die angesprochenen Mopeds und Taxifahrer in der Sonne, auf den Dächern der Dugouts spielen kleine Kinder und unter den Zuschauern sind lokale Superstars und
ehemalige Major Leaguer, die den DBA Schildwall schon seit Jahren begleiten. Auf dem Feld wechselt der Geruch zwischen zwei-Takt Mischung der vielen Mopeds und Biomüll der seit Tagen in der Sonne
steht. Akustisch duellieren sich der Platzsprecher und vorbeifahrende Obstverkäufer – oftmals übertönt von Motorrädern.
Uns stehen junge Dominikaner gegenüber, die sich hauptsächlich mit einer Sache beschäftigen: Baseball. Entsprechend groß, stark und schnell sind sie auch. Auch scheuen sie nicht, bei jeder
Gelegenheit zu demonstrieren, wie fest sie werfen können. Sie können alle fest werfen. Egal. Kurz nach „play ball“ war jedem sehr schnell klar, dass auch die Peloteros Aleman Baseball spielen
können: nach 3 Innings stand es 7:0 für uns und am Ende des Spiels 10:3. Ein guter Start in das zwei-wöchige Camp. Gleich nach dem ersten Tag war mir bewusst, was diese Umgebung – das Klima, die Stimmung, die Gegner, die Coaches, die Trainings, die täglichen mental-Talks für das richtige Mindset, das Zusammenseinim Hotel – aus einer Truppe 13-14 Jähriger machen kann. Es erfüllt
mich mit viel Stolz und Freude hier dabei sein, diese jungen Baseballer mit formen und selbst viel lernen zu dürfen. So eine Chance ist keinesfalls selbstverständlich. Viele (Nachwuchs)Coaches kennen, was passiert, wenn man junge Spieler gegen harte, manchmal übermächtige Gegner spielen lässt:
sie wachsen mit der Herausforderung. Hier haben wir aber nicht nur ein verlängertes Wochenende. Wir haben volle zwei Wochen Baseball pur, in denen die Spieler individuell und als Gruppe
tagtäglich über sich hinauswachsen können. Das war spätestens eindrucksvoll bei den Spielen gegen die Ozuna Akademie und Pimentel Akademie zu beobachten. Diese Akademien sind aushänge Schilder der unzähligen weiteren Akademien, in denen hier Spieler ab 12 Jahren aufs Profibaseball
vorbereitet werden. Schule und Sozialleben werden weit hinter Baseball angestellt. Das Ergebnis: Regelmäßig bekommen Spieler aus diesen Akademien Millionen-Verträge mit Major League Teams.
Aus vielen verschiedenen Gründen wirken diese Spieler für ihr Alter teilweise wie von einer anderen Welt. Riesengroß, durch trainiert und schnell. Zwölfjährige liefern sich hart umkämpfte AtBats gegen 19
jährige Pitchern die 90mph und mehr werfen – selbstverständlich mit Holz Schlägern.
Der Schildwall war davon allerdings vollkommen unbeeindruckt. Sofort scorten wir die ersten Runs – 5 in den ersten zwei Innings – während Ozuna erst im 6. Inning während einer kurzen Schwächephase unserer Defense zu ihren ersten Runs kam. Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Jungs überhaupt wissen, was sie da geschafft haben. Vielleicht ist das aber auch ein sehr gutes
Zeichen…
So arbeiteten wir uns von Tag zu Tag und wurden jeden Tag ein wenig tougher und ein wenig schlauer. Jeden Vormittag konnten wir ausgiebig an den Fundamentals und den Problemen des Vortags
arbeiten – umgeben und geleitet von Top Coaches und ex-Major Leaguern. Am Nachmittag spielten wir Spiele gegen alle möglichen Akademien.
Nicht nur die eigenen Coaches helfen die Truppe zu formen. Auch der berühmte Nate Trosky steht den Jungs mit mitreißenden mental Talks und unglaublich detailorientiertem Infield Training täglich zur
Verfügung. Jetzt stehen wir am Ende dieser zwei unglaublichen Wochen und am Anfang einer Saison voller Chancen für die Jungen Baller des Schildwalls. Alle sind müde, aber glücklich und viel stärker und
schlauer. Oft sind es kurze Begegnungen, Gespräche, Momente oder Erfahrungen im Leben, die den größten Einfluss auf unsere Fähigkeiten und unseren Charakter haben. Genauso eine Erfahrung –
in Form einer Reise – durfte ich hier erleben. Ich bin mir sicher, dass es keinen Beteiligten gibt, dem es nicht genauso geht…